Jeder, der einmal einen Original-Katalog von Lineol aus den 20er Jahren angeschaut hat (als Original oder Kopie), kennt den berühmten Geschenkkarton, in dem Japaner und unbekannte Gegner mit Tellerhelm, hübsch nebeneinander sortiert in trauter, wenn auch spielerisch-kriegerischer Zweisamkeit angeboten werden. Die japanische Kriegsfahne mit der aufgehenden Sonne ist nicht zu übersehen. Erstaunlich, dass ausgerechnet diese Figurenserie sowohl bei Preibsch als auch bei Timm/Pfefferkorn lediglich als schwarzweiß-Illustrationen abgebildet werden konnten. Die Japaner scheinen offenbar kein Kassenschlager gewesen zu sein.
Bei den hier nun exklusiv abgebildeten Figuren handelt es sich zwar “nur” um Marschierer, allerdings sind die Soldaten absolut original. Das Figurenmuseum kann an dieser Stelle sowohl die japanischen Mannschaften als auch den dazugehörigen Offizier abbilden.
Die Form weist eindeutig auf die Produktionsphase um 1910 hin, die Figuren aus dem Rest des aufgefundenen Konvolutes deuten jedenfalls auf einen Produktionszeitraum vor dem 1. Weltkrieg hin. Die Uniformfarbe ist dunkelblau, die Mannschaften tragen weiße Gamaschen, deren Farbe offenbar sehr empfindlich gegenüber Witterungseinflüssen und Temperaturschwankungen ist. Insgesamt also recht sensible Figuren, was allein schon erklärt, warum so wenige Originale bis zum heutigen Tag als Sammelwerte Aufstellfiguren überlebt haben.
Aufgrund des frühen Produktionszeitraumes kann man mutmaßen, dass die Japaner zunächst als Gegenspieler für die Russen gedacht waren, um auch den Russisch-Japanischen Krieg in Ostasien für das Kinderzimmer nachspielbar werden zu lassen. 1910 lag dieser Konflikt gerade einmal fünf Jahre zurück und konnte somit für die damalige Zeit als “moderner” Konflikt angepriesen werden.
Während an Russen aus dem Produktionszeitraum des 1. Weltkrieges kein wirklicher Mangel herrscht, gilt dies für Russen mit der dunkelgrünen Vorkriegsuniform nicht. Auch hier sind die zaristischen Kameraden eher selten und auf die klassischen Darstellungen der frühen Produktion um 1910 (etwas steife Erscheinungsform der Marschierer) reduziert.
Ob es damals schon Geschenkkartons mit gemischten Konfliktparteien gab, kann nicht mit Sicherheit angenommen werden. Dennoch spricht sowohl die Anwesenheit der Japaner als auch der Russen im Vorkriegssortiment von Lineol dafür, dass man hier zwei Konfliktparteien darstellen wollte.
Zugegeben, nicht jede “Action”-Figur einer potenziellen Kriegspartei hatte auch mit echten Spielzeuggegnern zu rechnen. Man denke nur an die britischen Soldaten in roter Uniform mit Pickelhaube oder Tropenhelm, denen eigentlich niemand die Stirn bieten konnte – weder bei Lineol noch bei Hausser. Buren gab es jedenfalls – so der aktuelle Wissensstand – nicht und koloniale Krieger in “Action”-Pose lassen sich (wie bereits an anderem Ort beschrieben) eher auf den libyschen Kriegsschauplatz verorten.
Sammlerpreise / Preisbewertung:
Die Japaner sind extrem selten zu finden, selbst als Restaurationsobjekt. Mangels größerer Möglichkeiten bei der Gestaltung von Kampfszenen bezahlt der Sammler hier also eher den Liebhaberpreis für das einmalige “Belegexemplar”, ohne größere Aussicht auf spätere Aufstockung des Bestandes. Grob geschätzt kann man wohl von einem Einzelpreis von mindestens 100 Euro für ein wirklich gut erhaltenes Stück bei Marschierern ausgehen. Eine verbindliche Aussage über den “realen Marktpreis” muss man sich an dieser Stelle aber verkneifen. Der Markt ist wankelmütig. (Asko Schröder © figurenmuseum 2021)