Die Traumgrösse : 14 cm Lineol, 15 cm Elastolin von Asko Schröder
Die sogenannten “Lehrmittelfiguren” der beiden großen Figurenhersteller Lineol und Hausser haben unter Sammlern Kultstatus. Die Gründe sind klar: Die Figuren sind besonders ausdrucksstark, besonders selten und besonders wertvoll. Zwar hat der Nachgang der Fälscher-Krise dazu geführt, dass auch (und ganz besonders) die in diesem Segment von kreativen Kriminellen hergestellten Neuschöpfungen den Markt überschwemmten, was einen massiven Vertrauensverlust der Sammlergemeinde und somit einen deutlichen Preisverfall bewirkte.
Das Misstrauen ist geblieben, dennoch scheinen sich die Preise zumindest da zu erholen, wo der Sammler mit “echten Originalen” rechnen zu können glaubt. Beschädigungen und Altersspuren sind inzwischen zu Adelsprädikaten geworden.
Es macht durchaus Sinn, an dieser Stelle die Bandbreite der Produktpalette von einst zumindest auszugsweise darzustellen, anhand von absoluten Originalen, versteht sich.
Die Vorgänger
In der Frühzeit der Masse-Produktion bei Lineol und Hausser (1905-1910), als noch grüne Holzsockel den Ton angaben und staksig-ungeschlachte Formen die Laden-Regale füllten, gab es sowohl bei Hausser als auch bei Lineol eine ganze Reihe verschiedener “Standard“-Größen, darunter auch die 14 cm Serie, ein Mittelding zwischen dem 18cm und 10-11 cm Maßstab. Heute selten zu finden und auch in den gängigen Standardwerken nur stiefmütterlich behandelt, stellen diese Figuren die Vorläufer der späteren Lehrmittelfiguren dar, zumindest, wenn es um die Größe geht. Hier soll beispielhaft eine Gruppe der Firma Hausser als dokumentarischer Platzhalter herhalten: eine Gruppe Grenadiere mit Parade-Helmbusch. Lineol wird durch einen französischen Trommler und einen Wachposten im langen Mantel vertreten. Zugegeben, als Lehrmittel taugen die Kameraden eher nicht, aber die Größe stimmt.
Lehrmittelfiguren
Ob es sich bei den zu besprechenden Figuren im engen Sinne tatsächlich um ausgewiesene “Lehrmittel” handelte, ist bis heute umstritten. Dass beide Firmen ihr jeweiliges Sortiment besonders verpackten, anboten und auch anpriesen, ist allerdings hervorragend belegt. Man darf also getrost davon ausgehen, dass beide Hersteller sehr stolz auf ihr jeweiliges Sortiment waren und die 14 cm, beziehungsweise 15 cm Figuren gewissermaßen als “Rolls Royce” im Sortiment ansahen.
Dass die Figuren bereits vor dem Ersten Weltkrieg in den Handel kamen, steht außer Zweifel. Wer hier allerdings der erste Platzhirsch am Markt war, dürfte wohl Spekulation bleiben. Dass aber vereinzelt Hausser-Figuren im 15 cm Maßstab und offensichtlich der “Lehrmittel”-Serie zuzuordnen, mit grünem Sockel zu finden sind, könnte vermuten lassen, dass Hausser die mittlere Größe frühzeitig ausbaute und den eher statischen Marschierern ein paar Kämpfer hinzufügte. Danach mag die eine Firma bei der anderen “inspiriert” haben, wobei die Qualität der Lineolfiguren, die ihrer Hausser-Kameraden um Längen schlägt.
Hier nun ein paar Beispiele aus dem Hause Hausser: Marschierer im Stechschritt, Fahnenträger im Stechschritt. Dazu drei unterschiedliche Schützen in den klassischen Grundstellungen.
Lineol wird hier mit einem preussischen General, einem preussischen Schützen, einem Bayerischen Adjudant, einem französischen Offizier im Marsch und einem deutschen Schützen vertreten (Feldgrau).
Beide Hersteller begrenzten ihr Sortiment keineswegs nur auf deutsche Soldaten. Von Hausser sind Briten in roten Uniformen, weißem Koppelzeug, blauen Hosen und Pickelhelm bekannt, dazu auch Amerikaner mit Pickelhelm. Von Lineol sind Dänen und Franzosen überliefert, zumeist Marschfiguren und Musiker. Es gibt aber auch kämpfende Franzosen.
Die Darstellung französischer Musiker und Offiziere im Marsch mag erstaunen, da es sich hier ja offenbar nicht um die klassischen “Feinde zum verhauen” handelt, wie sie in einer Anzeige 1914 oder 1915 angepriesen wurden. Die Figuren sind genauso liebevoll gestaltet wie ihre deutschen Pendants, was natürlich die alte Frage nach potenziellem Export aufwirft. Tatsächlich hat der Autor derartige Figuren auf dem Gebiet des ehemals deutschen Elsass-Lothringen aufgefunden, was darauf hindeutet, dass es sich bei diesem Sortiment nicht unbedingt um Exportartikel im engeren Sinn handelt, sondern, dass diese Serie sich vielmehr an die frankophile Bevölkerung Elsass-Lothringens richtete, die immerhin einige Abgeordnete im Reichstag stellte. Endgültig klären lässt sich das natürlich nicht, dennoch erscheint dies ein plausibler Erklärungsansatz zu sein (Immerhin gab es zwischen 1871 und 1918 mehrere zweisprachige Publikationen, die sich gleichermassen an deutschsprachige als auch an frankophone Leser richteten. Das ist gut belegt.)
Preise und Markt
Wie bereits erwähnt, sollte man sich heute nicht mehr der Illusion hingeben, der Erwerb eines historischen Spielzeugs sei eine “Wertanlage”. Märkte können einbrechen und über Nacht ist die schöne “Investition” von gestern die Flohmarkt-Ramschware von morgen. Dennoch scheinen sich die Preise ein wenig zu stabilisieren, so dass man für klassische Grunddarstellungen, wie Schützen (so sie sich in sehr gutem oder perfekten Zustand befinden) zwischen 150 und 250 Euro hinblättern muss. Sonderfiguren und Offizierskorps sind schnell bei 500-700, ja auch bei bis zu 1.000 Euro. Reiter können erheblich mehr kosten. Der Zustand ist allerdings nicht allein ausschlaggebend. Man muss der Figur die Authentizität ansehen, sonst bleibt die Ware liegen. Die “Lehrmittel”-Figuren sind eigentlich nur etwas für erfahrene Sammler, die auch ein bisschen Kenntnisse in Uniformkunde mitbringen. Es gibt etliche “Wolpertinger”, die gewiss schon auf den nächsten Kunden warten. Wer einen Reitermusiker der Potsdamer Gardegrenadiere erwirbt, dem ist nicht zu helfen. Wer berittene Infanteristen im “Lehrmittel”-Sortiment nicht hinterfragt, sollte sein Geld lieber anderswo investieren.
Asko Schröder © figurenmuseum 2021