Friderizianer-Serie bei Hausser - "Die Potsdamer Gardegrenadiere" von Asko Schröder
Getragen von einer wahren Friedrich-Hysterie der EndzwanzigerJahre und beginnenden Dreißigerjahre (heute würde man wohl von einem „Hype“ sprechen), der seinen visuellen Höhepunkt in zahlreichen
Kinofilmen mit Otto Gebühr und Sammelbilderalben (Beispielsweise die berühmte Sturm-Serie) fand, konnte sich die Spielzeugbranche diesem Trend nicht verschließen. Waren im Zinn- und
Bleifigurenbereich Fridericus Rex und der Siebenjährige Krieg immer ein wichtiges Thema gewesen, entdeckten die Masse-Hersteller Hausser und Lineol die Epoche des „Großen“ Friedrich fast zeitgleich
um 1930 für sich.
Während Lineol sich auf eine überschaubare Kleinserie mit Marschfiguren, ein paar Musikern und ein paar Reitern beschränkte und in den Folgejahren nur wenig Neuheiten nachlieferte, zog Hausser das
ganz große Register. Ab 1931 bis zum Ableben der Firma 1983 blieben die Uniformen des 18. Jahrhunderts im Hausser-Elastolin-Programm, wobei das Vorkriegssortiment schon recht früh zu beeindruckender
Größe und Komplexität anschwoll.
Den Anfang der Serie bildeten in trauter Einheit mit den „Fridericianern“ die Truppen George Washingtons, die ebenfalls bereits im Katalog von 1931/32 mit Marschierer, Offizier und Fahnenträger an
einem stehenden George Washington vorbeiziehen durften. Washingtons Darstellung, sowie die Reiterfiguren von „Fridericus Rex“, Seydlitz und Ziethen waren seit den 10,5 und 5,5 Hindenburg-Porträts die
ersten Persönlichkeitsfiguren, die im 7 cm Hausser-Sortiment auftauchten.
Neben der recht überschaubaren Washington-Truppe kamen die Preußen ganz groß raus, der mit modischem Dreispitz ausgestattete US-Unabhängigkeits-Marschierer wurde kurzerhand zum Grenadier mit passend
pittoresker Garde-Grenadiers-Mütze umfunktioniert. Es blieb die einzige preussische Marschfigur. Von den US-Basis-Figuren wurden später weder Fahnenträger, noch Offizier oder Musiker im Marsch je zu
preussischen Grenadieren. Dennoch rekrutierten die Friderizianer bereits zu Anfang ein beachtliches Kontingent, allerdings eher zu Paradezwecken: Offizier, Unteroffizier, Fahnenträger und Marschierer
wurden in preußischem Stechschritt dargestellt, ergänzt durch Trommler und Pfeifer als Standfiguren, die genannten Porträtfiguren bekamen noch einen „Fridericianischen Hauptmann“ zur Seite gestellt
und... fertig war das Basis-Sortiment.
Mit dem Neuheiten-Nachtrag 1933 bekamen die Preußen dann – auf Basis der US-Regimenter – passende österreichisch-ungarische Feinde und sowohl Washingtoner als auch Preussen und Österreicher bekamen
kämpfende Truppen _ stehende Schützen und stürmende Grenadiere. Marschierende Trommler und Pfeifer für Washingtons Truppen und die Regimenter Maria Theresias rundeten das Angebot ab.
„Wie jetzt?“, mag der aufmerksame Sammler fragen. Preussen schießen auf Österreicher und umgekehrt…nur die Washingtoner haben keine Feinde? Gegen wen sollen die Kampfposen denn eingesetzt werden?
Jedenfalls nicht gegen Rotröcke. Engländer wurden – bis auf isolierte Exemplare aus dem berühmten Hausser-Archiv – in dieser Serie nicht gefertigt. Warum auch? Man hatte ja die Preußen, die sich
einem US-amerikanischen Publikum sehr gut als feindliche Hessen verkaufen ließen. Es mag auch sein, dass der US-Handel die Washingtoner teilweise als frühe Feinde der „Native Americans“ vermarktete.
Die Hessen-Theorie scheint aber plausibler. Nicht zuletzt aufgrund einiger Figuren, auf die noch an anderer Stelle eingegangen werden soll…
Warum nun das gesamte Marsch-Ensemble nur in österreichischen Uniformen und in den Röcken Washingtons hergestellt wurde und mit der einzelnen Ausnahme des Marschierers mit Zinngewehr nicht als
Friderizianische Grenadiere produziert wurde oder nach einer einfachen Umbemalung als preußische Füsiliere im Sortiment landete, ist nicht mehr nachzuvollziehen.
Umso erstaunlicher, dass es insgesamt drei (3!) unterschiedliche Grenadierköpfe gibt. Ein Kopf mit Sternemblem auf dem Mützenschild, der ausschließlich für die Marschfiguren Verwendung fand und zwei
verschiedene mit Adlermotiv auf dem Mützenschild, eine gedrungene Variante und eine etwas höhere, elegantere. Die drei Varianten wurden zeitgleich genutzt, dennoch ist davon auszugehen, dass die
gedrungene Variante die frühere sein dürfte. Preisunterschiede sind nicht zu verzeichnen, da es den allermeisten Sammlern offenbar kaum aufgefallen ist, dass ihre kleinen Friderizianer
unterschiedliche Kopfzier tragen.
Der gesamte Themenkreis historischer Figuren sticht aus dem „normalen“ Haussersortiment nicht nur wegen der besonderen Farbigkeit aus dem Hausser-Standard-Sortiment heraus. Preussen, Österreicher und
Washingtoner wurden erheblich aufwändiger gefertigt als die meisten anderen Kampfposen des damaligen Repertoires. Alle Marschierer besitzen detaillierte (und entsprechend zerbrechliche) Zinngewehre,
die Kämpfenden haben zumindest ausgeformte Masse-Schießprügel. Kein simpler Draht, der die „Braut des Soldaten“ stilisierend darstellt. Kein Minimalismus, keine halben Sachen. Einzig die zeitgleich
erschienene Reichswehrserie im Stechschritt (wir sprechen von der frühen, kleineren 7 cm Ausführung) weist ähnlich viel Detailverliebtheit beim Modellieren auf.
Dennoch befindet sich die allgemeine Preisentwicklung der Friderizianer-Infanterie seit geraumer Zeit in stetigem Sinkflug – ein Phänomen, das auch bei anderen Massefiguren zu beobachten ist.
Ausnahmen bestätigen die Regel. Auszeichnet erhaltene und sorgsam bemalte Exemplare mögen für Marschierer und Musiker noch mit Ach und Krach die 50-Euro-Marke erreichen, im Allgemeinen sind sämtliche
Marschfiguren zwischen 30 und 40 Euro zu haben. Fahnenträger je nach Zustand und Qualität der Bemalung zwischen 100 und 200 Euro. Die „Action“-Figuren, also der Schießende und der Stürmende, sind in
der Regel zwischen 80 und 120 zu haben. US-Washingtoner sind in der Regel preiswerter, Österreicher teurer. Mehr dazu und zu der preußischen Kavallerie an anderer Stelle.
Der so genannte Seydlitz (Friedrich Wilhelm Freiherr von Seydlitz-Kurzbach geboren am 3.2.1721 in Kalkar verstorben 8.11.1773 in Ohlau) preußischer Kavalleriegeneral und einer der bedeutendsten Kavallerieführer Preußens (er trug mit seinen Kürassieren u. a. entscheidend zu Friedrichs berühmten Sieg bei Leuthen bei).
Warum Hausser diesen in Grün und ohne Kürass ausführte, obwohl die Modellierung ja ganz offensichtlich einen Kürassier darstellt, lässt sich nicht nachvollziehen. Diese Figur – obwohl uniformtechnisch weit von Seydlitz entfernt - ist die einzige Hausserfigur dieser Serie und Ausformung, die keinen Schnurrbart trägt, was sehr für Seydlitz spricht.